Die indigenen Völker und Covid-19 in Lateinamerika – Eine Anmerkung zur aktuellen Studie der CEPAL

Beitragsautor:
Dr. Frank Semper 
DKF Rheinland / Ruhr
für den Blog des DKF Februar 2021 

Lateinamerika hat sich zum Epizentrum der Covid-19 Pandemie entwickelt, und auch Kolumbien zählt zu den besonders betroffenen Ländern. Nicht nur die Inzidenzwerte und die Zahl infektionsbedingter Todesfälle sind außerordentlich hoch, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie treffen den Kontinent weit stärker als andere Weltregionen. Die in den letzten Jahren erzielten Fortschritte bei der Armutsbekämpfung und beim Abbau der extremen Ungleichheit zwischen Arm und Reich sind weitgehend ausradiert worden, und es wird vermutlich Jahrzehnte dauern, die eingetretenen und fortdauernden schädlichen Auswirkungen zu überwinden.

In diesem Kontext stellen die indigenen Völker in mehrfacher Hinsicht eine besonders gefährdete Personengruppe dar, die in der weltumspannenden Krise aus dem Blick zu geraten droht, wie eine aktuelle Studie der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (Comision Economica para America Latina y el Caribe – CEPAL -) betont, die sich nun erstmals mit der Thematik beschäftigt hat.

El impacto del COVID-19 en los pueblos indigenas de America Latina-Abya Yala. Entre la invisibilizacion y la resistencia colectiva 
https://www.cepal.org/es/publicaciones/46543-impacto-covid-19-pueblos-indigenas-america-latina-abya-yala-la-invisibilizacion

Ich werde im Folgenden die zentralen Punkte der Studie zusammenfassen und auf einige Besonderheiten der kolumbianischen Situation hinweisen.

Insgesamt stellt die Studie fest. Die Indigenen In Lateinamerika sind einem erhöhten Ansteckungsrisiko aufgrund ihrer familienbezogenen und kommunitären Lebensweise ausgesetzt. Indigene Armut und Unterentwicklung werden durch Covid-19 generell verstärkt.

Im Einzelnen.

Eine erhöhte Vulnerabilität besteht für ältere Indígenas (ab 60 J.), weil sie entsprechend ihrer Altersgruppe oftmals Vorerkrankungen (u.a. Bluthochdruck und Diabetes) aufweisen, und weil sie als Träger und Übermittler des traditionellen Wissens für den Bestand und die Weiterentwicklung der indigenen Gemeinschaften unersetzlich sind.

Eine besorgniserregende Vulnerabilität besteht für indigene Frauen und Kinder. Sie werden infolge der Gesundheitskrise vermehrt Opfer Gender bezogener Gewalt. Die Benachteiligung der indigenen Frauen betrifft insbesondere den Bereich sexueller Selbstbestimmung, sexueller Aufklärung, Geburtenkontrolle. Sie haben eine vermehrte Last im Haushalt zu tragen und finden noch schwerer Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten als vor dem Ausbruch der Pandemie.

Indigene Kinder sind in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Erziehung betroffen. Hierbei legt die CEPAL-Studie ein besonderes Augenmerk auf die Versorgung der indigenen Gemeinschaften mit dem Internet als Unterrichtsmedium. Es finden sich jedoch keine Ausführungen zum spezifischen Einsatz des Mediums im ethno-kulturellen Unterricht.

Eine erhöhte Vulnerabilität besteht für die in (freiwilliger) Isolation lebenden Indigenen, weil sie gegenüber allgemeinen Infektionskrankheiten keine Abwehrkräfte entwickelt haben, weil sie nicht in die staatlichen Gesundheitssysteme eingebunden sind, und weil ein erzwungener Kontakt durch die Außenwelt ihre kulturelle und physische Überlebensfähigkeit gefährdet.

Sowohl die in den Städten als auch die auf dem Lande lebenden Indigenen sind einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt, wenn es darum geht, sich effektiv vor einer Ansteckung mit Covid -19 zu schützen.

Bemerkenswert ist, dass Kolumbien im lateinamerikanischen Kontext (noch weit vor Guatemala 60% ) den höchsten Anteil der auf dem Lande (in den traditionellen indigenen Resguardos und Territorien) lebenden Indígenas aufweist, 79 %.

Eine Besonderheit, der die CEPAL-Studie nicht weiter nachgeht. Daher sei an dieser Stelle nochmals betont, der Bestand der indigenen Resguardos und Territorien ist die fundamentale Grundlage für die Integrität und Identität der indigenen Völker und Gemeinschaften. Der Erhalt und die Fortentwicklung der indigenen Kulturen ist nur dann gesichert, wenn sie nicht innerhalb ihrer Territorien der Gewalt von parastaatlichen und kriminellen Gruppen schutzlos ausgeliefert sind, die indigene Selbstverwaltung nicht von gesetzlichen oder administrativen Maßnahmen behindert wird und die Indigenen in ihren Entfaltungsmöglichkeiten nicht auf den räumlichen Bereich ihrer Territorien beschränkt werden.
Wozu derartige Einschränkungen der indigenen Selbstbestimmung bzw. Autonomie führen, zeigt beispielhaft die aktuelle Lebenswirklichkeit der Nasa im Cauca, wo der von gewalttätigen Akteuren hineingetragene Drogenkrieg eine fortgesetzte Beeinträchtigung und Zersetzung des indigenen Gemeinschaftslebens bewirkt. Aufgrund der aktuellen Sachlage ist die Einhaltung von Hygienemaßnahmen im Rahmen der Covid-19 Bekämpfung auch in vielen anderen indigenen Territorien ein kaum zu realisierendes Unterfangen.


An dieser Stelle sei auf einige frühere Blog-Einträge verwiesen. Zur Situation im kolumbianischen Amazonasgebiet: La situación de los indígenas en los tiempos de la pandemia Corona und im Choco: El Chocó – ein gewalttätiges Paradies


Durch die fortgesetzt desolate Sicherheitslage in vielen indigenen Territorien sowie den vor Ort kaum vorhandenen Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten sucht eine wachsende Zahl von Indigenen ein Auskommen in den Städten, obwohl dort in aller Regel nur prekäre Beschäftigungsverhältnisse im informellen Sektor zu erlangen sind. Hinzukommt eine nach wie vor hohe Zahl an Vertriebenen aus dem Bereich der indigenen Territorien. In den Zeiten von Covid-19 muss daher ein verstärktes Augenmerk auf die in den Städten lebenden Indigenen geworfen werden. Die durch CEPAL ermittelten Zahlen zeigen insoweit ein eindeutiges Bild. In den Großstädten tragen die Indígenas ein überproportional erhöhtes Risiko an Covid-19 zu erkranken und zu versterben.

Im städtischen Raum sind die Möglichkeiten der regelmäßigen Versorgung mit Trinkwasser für Indigene problematisch bzw. nicht existent, schon deshalb weil auch ihre allgemeine Wohnsituation prekär ist. Laut der CEPAL-Studie ist die Versorgung der Indigenen in Kolumbiens (Groß-) Städten im lateinamerikanischen Kontext besonders unzureichend. Jede/r zweite Indigene aus dieser Gruppe verfügt über keinen regelmäßigen Zugang zu sauberen Trinkwasser. Das ist auch im Verhältnis zur übrigen städtischen Bevölkerung ein überragender Prozentsatz. Die enormen Ungleichheiten denen die Indigenen in Kolumbiens Großstädten ausgesetzt sind, sind dort am weitesten ausgeprägt, wo ihre Zahl im Verhältnis zur übrigen Bevölkerung am geringsten ist (also in Bogotá. Medellín und Cali).

Es reicht daher nicht aus, dass die kolumbianische Regierung ihre Hilfsprogramme auf die traditionellen Territorien beschränkt. Die indigene Realität hat sich auch in Kolumbien verändert und es steht zu erwarten, dass in Zukunft noch weit mehr Indigene (zumindest temporär) in den Städten leben werden, ein Umstand auf den die kolumbianische Politik bis heute nicht vorbereitet ist.

Felsmalereien Guaviare _ biblioteca del pensamiento INDIGENA (c) FS

Laut CEPAL besteht eine besondere Gefährdungslage für die in den tropischen Regenwäldern lebenden indigenen Völker. In Kolumbien betrifft dies zumal die indigenen Völker und Gemeinschaften im Amazonasregenwald und im Chocó. Grundsätzlich hat der Druck auf die tropischen Wälder durch externe Bedrohungen, u.a. Minentätigkeit, Erdölexploration, Holzeinschlag, Weidewirtschaft, Landraub seit dem vergangenen Jahrzehnt massiv zugenommen.

Die Studie zitiert die Rechtsanwältin Fany Kuiru von der OPIAC (Organizacion de los Pueblos Indígenas de la Amazonía Colombiana) von deren unterstützenswerter Arbeit ich schon berichtet habe.

https://www.gofundme.com/f/indigenous-colombian-women-emergency-response/

Kein Tropfen Blut mehr, kein Schmerz mehr für die Konsumartikel in den Städten der Welt. Die Gemeinschaften des Waldes, des Landes und der Städte haben eine ‚Minga‘ des Widerstandes ausgerufen, um der Zerstörung und dem Hunger entgegenzuwirken, die nach der Pandemie andauern werden, weil der Ökozid, der Ethnozid und der Terrazid (die absichtsvolle Zerstörung des Planeten) schlimmer voranschreiten als der Virus.

(Fany Kuiru)

Um ihre Ernährung sicherzustellen sind die Indigenen der tropischen Wälder unmittelbar auf ein funktionierendes Ökosystem angewiesen. Denn die in den Wäldern lebenden Indígenas haben angesichts der Pandemie keine Ausweichmöglichkeiten außer der, sich in einen immer kleiner werdenden Bereich abgelegener Wildnis zurückzuziehen. Sie verfügen im allgemeinen nicht über Einkommensquellen, sind kaum in die bestehenden staatlichen Sozialsysteme eingebunden. Sie haben in vielen Fällen keinen (Grund-) Schulabschluss und mehrheitlich keinen Zugang zu Elektrizität betont die Studie.

Seit Covid-19 werden die Kontrollpflichten der Staaten, die Integrität der indigenen Territorien sicherzustellen, vielerorts vernachlässigt, weil die allgemeine Gesundheitskrise zu Budget und Hygiene bedingten Einschränkungen geführt hat, soweit zutreffend die Studie.

Abschließend. Die CEPAL- Studie ist wichtig für eine erste Bestandsaufnahme zur Klärung der Frage, welche Auswirkungen Covid-19 auf das Leben der indigenen Völker und Gemeinschaften in Lateinamerika hat und welche Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Situation ergriffen werden müssen.

„Ni una sola gota mas de sangre y dolor de los productos de consumo en las ciudades del mundo. Hay una ‚minga‘ de resistencia dentro de las comunidades del bosque, el campo y las ciudades que se organizan frente a la devastación y el hambre, que continuara después de esta pandemia, porque el ecocidio, etnocidio y terricidio avanzan peor que el virus.“

(Fany Kuiru)

Allerdings lässt sich das indigene Leben grundsätzlich nicht widerspruchslos in Statistiken fassen. Daher erscheinen einige der gezogenen Schlussfolgerungen und Empfehlungen zu schematisch. Es fehlt (bis auf das Zitat von Fany) an einer Beschreibung der Covid-19 Situation aus der indigenen Perspektive, die sich aus der zugrunde gelegten Methodik, nicht umfassend erschließen lässt.

Daher an dieser Stelle ergänzend. In Kolumbien (und anderswo) existieren vorbildliche Arbeiten, die aus der indigenen Perspektive verfasst sind und diesbezüglich Anhaltspunkte liefern. Zu nennen ist HE YAIA GODO~BAKARI (2015), eine Arbeit der Gemeinschaften vom Río Pira Paraná (Dep. Vaupes), die aus der Notwendigkeit erwachsen ist, den Wert des traditionellen Wissens über das Land zu stärken, um Lösungen in Bezug auf das Medioambiente zu entwickeln. Es ist die Verschriftlichung der indigenen Weltsicht verfasst in eigenen Worten und frei von akademischen Interpretationen und Theorien, die u.a. als Grundlage für den Aufbau eines eigenständigen Erziehungssystem dienen soll. Auch die mir durch meinem Freund Nelson Ortiz übermittelte Arbeit von Celimo Nejedeka, ein weiser Muinane vom Medío Caquetá, CULTIVANDO LA CIENCIA DEL ARBOL DE LA SALUD (2019), beschäftigt sich eingehend mit den Heilkräften der Natur und ihren mythologischen Grundlagen, um einen Weg zum buen vivir für alle (bekannt auch unter der Quechua-Bezeichnung Sumak kawsay) aufzuzeigen.

© FS 2021

Ein Fußball-Turnier in Tagachí / Chocó am RÍo Atrato

Beitragsautor:
Bernd Tödte
DKF München

In diesen Tagen beklagen wir den Mord an Fredman Arturo Herazo Padilla, einer Führungspersönlichkeit der kolumbianischen Gemeinde San Basilio de Palenque, Bolivar, in Kolumbien. Schon wieder ein solcher Mord – wir teilen Trauer und Bestürzung darüber!

Friedensarbeit in Kolumbien tut Not  – der Deutsch-Kolumbianische Freundeskreis leistet sie seit nunmehr 40 Jahren durch praktizierte reale Sozialarbeit mit vielen großen und kleinen Projekten überall in Kolumbien. Ein solches Projekt wird in Kürze in der Gemeinde Tagachí  im Departamento Chocó seine Wirkungen zeigen. Der kleine Ort liegt etwa 100 Km nördlich der Departaments-Hauptstadt Quibdó flussabwärts am Fluss Atrato in einer selvatischen Region ohne Straße. Lesen Sie hier, was sich dort in Kürze ereignen wird.

Aufgegriffen wird eine Projektidee , für die sich der DKF e.V. schon einmal im Jahr 2017 stark gemacht hatte. Damals leider mit einem vergeblichen Projektantrag auf öffentliche Förderung, weshalb das Projekt seinerzeit  leider nicht realisiert werden konnte. Es ging dabei um mehrere Dörfer im  Chocó, für die ein Fußballturnier (gedacht war an eine richtige Fussballliga!) organisiert werden sollte. Das hätte eine stark sozialisierende Wirkung auf  die große Zahl entwurzelter junger Leute in der Region ausüben können. Unser Partner  vor Ort war damals der Claretianer-Pater Yorlly Moreno aus Tagachí gewesen, der auch im vergangenen Sommer bei der  Corona-Soforthilfe des DKF für und mit uns absolut zuverlässig Unterstützung im Chocó geleistet hat.

Wie bekannt, ist der Chocó von etlichen schlimmen Plagen gleichzeitig heimgesucht: Guerrilla, Paramilitares, Drogenbanden, Malaria – in Tagachí aber zum Glück noch nicht Corona – wobei noch hinzukommt, dass der Chocó, wie nahezu die gesamte pazifische Region Kolumbiens, seit langem  von der kolumbianischen Regierung vernachlässigt worden ist.

Nicht zuletzt durch einen Bericht des früheren Botschafters Kolumbiens, Juan Mayr, in dem auch er auf die prekäre Lage im Chocó hinwies, kamen unsere Stuttgarter DKF-Mitglieder Carmen und Gerald Gaßmann dazu, das frühere (nicht realisierte) Projekt nochmals bei Pater Yorlly zum Thema zu  machen und  es in einer der heutigen Situation angepassten Form wieder aufleben zu lassen. Pater Yorlly signalisierte sofort seine Zustimmung und erstellte in kürzester Zeit eine  Projektskizze,die nicht nur Carmen und Gerald, sondern auch den DKF-Vereinsvorstand voll und ganz überzeugte. Hier ein Auszug aus Pater Yorllys Projektbeschreibung:

JUSTIFICACIÓN
El proyecto, “Deporte como medio de reconciliación y resistencia pacífica en el territorio” se desarrollará en el Río Arquía, Municipio de Vigía del Fuerte. Zonas afectadas directamente por el conflicto armado. Zona donde los misioneros claretianos hemos venido realizado un trabajo desde hace muchos años con niños, jóvenes y adultos, brindándoles alternativas frente al conflicto armado y sus secuelas: desplazamiento, indiferencia, marginación, asesinatos, jóvenes en filas de los distintos grupos, etc. Ahora, queremos seguir con esta dinámica de resistencia en el territorio mediante el deporte, de manera que nos ayuden a rescatar aquellos valores ancestrales-culturales como el diálogo y el respeto entre comunidades que, por la violencia han ido quedando relegadas en el “olvido”; y que ahora queremos fortalecer a través del deporte. 

REALIDAD ACTUAL 
La realidad actual de las comunidades del río es crítica por varias razones: el individualismo, presencia de los diferentes grupos armados que están incorporando jóvenes en sus filas. La situación juvenil es preocupante por el consumo de sustancias psicoactivas y el hurto. la falta de servicio básicos para vivir como la salud, educación, deporte, la energía y la conectividad, hacen que cada día la juventud tenga en su lista dos opciones: ingresar a un grupo armado o desplazarse a la capital del Departamento, en busca de oportunidades que nunca llegan.

ACTIVIDADES
Las actividades a realizar en este proyecto, se darán en los días febrero 12 y 13. Las actividades son las siguientes: se realizarán las actividades formativas con los temas de drogodependencia, proyecto de vida y procesos organizativos. Los dás serán dedicados a los espacios deportivos. Cabe resaltar que en las horas de la noche habrá momentos culturales: danza, cantos, música, poesías, etc, donde podrá participar toda la comunidad. 

OBJETIVO GENERAL
El proyecto “Deporte como medio de reconciliación y resistencia pacífica en el territorio” quiere ser una alternativa para los jóvenes del Arquía en aras a recuperar y fortalecer en ellos sus cualidades y capacidades deportivas que les permitan un acercamiento entre los miembros del río, de manera que las divisiones y rivalidades haya se logren superar. El proyecto quiere proporcionar elementos de resistencia pacífica a las comunidades, para que desde el deporte puedan ser, hacer y tener herramientas que les ayude a afrontar el mundo material, excluyente y homicida en el que viven. 

OBJETIVO  ESPECÍFICO
• Crear espacios agradables y fraternos de deporte que les permita a los jóvenes encontrarse como hermanos de una región y superar sus diferencias. 
• Ofrecer el deporte como una alternativa a la realidad de violencia que se vive en las comunidades. 

COMUNIDADES A INVITAR
 
7 comunidades de a 20 participantes por equipo, para un total de 140 personas más miembros de las comunidades:
Puntas de Ocaidó, Isletas, Belén, Vegáez, Vidrí, Puerto Palacios, Puerto Medellín. 

TORNEO DE FÚTBOL
Arbitro:NO habrá árbitro de fuera; sino que pitará alguien de las mismas comunidades; la idea es demostrarles mediante el juego que no necesitan de actores ajenos a sus comunidades para resolver los conflictos internos.
Participan:Participarán en los equipos mujeres y hombres como signo de la igualdad y el derecho de todos y todas a participar de funcionamiento interno de sus consejos comunitarios. 
Los premios o trofeos:  se darán unas placas iguales para todos los equipos de manera que descubran que no hay perdedor, aquí todos son ganadores. Lo importante es la integración sana y la resolución de conflictos mediante el encuentro deportivo y cultural. 

So werden nun zum 12. und zum 13. Februar 2021 viele Menschen  aus 7 kleinen Dörfern am Rio Arquía (Nebenfluss des Atrato) mit Booten nach Tagachí kommen und Formen des sozialen  Zusammenhalts erleben. Wir werden in diesem Blog darüber berichten.

Wir danken unseren Vereinsmitgliedern Carmen und Gerald Gaßmann für diese großartige Initiative.

 

Mein „Kaffeekolumbianer“ – Ein Räuchermann aus dem Erzgebirge

Beitragsautor:
Rechtsanwalt Gerald Gaßmann,
Honorarkonsul der Republik Kolumbien in Stuttgart,
Ehrenmitglied des Deutsch-Kolumbianischen Freundeskreises

Herr Gerald Gaßmann entwirft seit vielen Jahren mit viel Kreativität und Einfallsreichtum kleine und große Kunstobjekte, die er großzügig jedes Jahr zu Weihnachten an seine Freunde und Partner verschenkt. Immer haben seine Kreationen einen Bezug zu Kolumbien, der Heimat seiner Frau Carmen. Auf seinen häufigen Reisen nach Kolumbien knüpft Herr Gaßmann regelmäßig Kontakte zu kolumbianischen Kunsthandwerkern und kleinen und größeren Manufakturen, mit denen er bis zur Herstellung der Objekte eng zusammenarbeitet. Sein für Weihnachten 2018 geschaffenes Werk wurde nach seinen Vorgaben allerdings von einer traditionsreichen Firma im Erzgebirge hergestellt: Ein „Kaffeekolumbianer“ – als Räuchermann. Hier berichtet Herr Gaßmann selbst, wie er zu dieser Idee gekommen war.

An Weihnachten 2018 hatte ich meinen Freunden und Geschäftsfreunden ein Räuchermännchen aus dem Erzgebirge zum Präsent gemacht. Mit dieser Neuentwicklung der Figur eines „Kaffeekolumbianers“ ist es mir wieder einmal gelungen, den Bogen zu meinem geliebten Kolumbien zu schlagen: eine Hommage an Kolumbien, seine Kaffeebauern, seinen exzellenten Kaffee und auch seine hervorragenden Zigarren.

Seine Entstehungsgeschichte können Sie der unter diesem Link aufzufindenden Broschüre entnehmen.

Gerade dieses Räuchermännchen hatte mir persönlich so gefallen, dass ich Anfang 2020 entschied, es auch in monumentaler Größe, also im XXL-Format, herzustellen. Natürlich sollte er auch einen Originalsombrero bekommen, wenn auch in einer verkleinerten Version, den ich eigens von den indigenen Kunsthandwerkern aus Tuchin in Kolumbien herstellen ließ. Zu meiner großen Überraschung war dieser Sombrero zu klein, so dass ich der Firma KWO einen Sombrero in Originalgröße zusandte, der dann auch verblüffender Weise genau passte.

Ende Juli traf dann mit coronabedingter Verzögerung dieser stattliche 35 kg schwere Prachtkerl bei mir ein.

Meine Glückwünsche gehen an die Firma KWO aus dem Erzgebirge: der Räuchermann ist rundum gelungen!

Er hat einen Ehrenplatz in meinem Büro bekommen. 

Nachbemerkung:
Meine Kaffeekolumbianer kamen bei Kunden der Firma KWO so gut an, dass sie mich fragte, ob sie „,meine“ Räuchermännchen für eine Reihe interessierter Sammler nachproduzieren dürften. Dem habe ich gerne zugestimmt, da ich meine kleinen kolumbianischen Sympathieträger gerne auch weiterverbreiten möchte.

Die Clubzeitung für Sammler und Liebhaber von Räuchermännchen der Firma KWO hat in ihrer Ausgabe Jahrgang 2020 die von mir erzählte Entstehungsgeschichte meines „Mini-Kaffeekolumbianers“ abgedruckt, garniert mit einem Foto („Im Dialog mit meinen Kaffeekolumbianern“).

Die Deutsche Schule in Barranquilla und ihr erfolgreiches virtuelles Unterrichtsmodell

Carlos Lindemeyer
Präsident des Schulvorstands
Deutsche Schule Barranquilla

 

 

Artikel für den Deutsch-Kolumbianischen Freundeskreis

Kommunikationsabteilung

Deutsche Schule Barranquilla

 

 

Die gegenwärtige Situation hat Bildungseinrichtungen weltweit dazu veranlasst, sich neu zu erfinden und verstärkt Medien und Technologie als Mittel der Bildung einzusetzen.  Diese Maßnahmen sind notwendig, um die Schulen im Rahmen der Krise am Leben zu erhalten und helfen ihnen zudem dazu, ihre Unterrichtsaktivitäten weiter zu entwickeln. Der Schwerpunkt liegt dabei darauf, den Wunsch und die Motivation der Schülerinnen und Schüler zum Entdecken und Interpretieren der Welt aufrechtzuerhalten und sie weiterhin zum Lernen zu begeistern. Die Herausforderung der Deutschen Schule in Barranquilla besteht darin, Kontinuität in das Online-Lernangebot zu bringen. Dazu verfügt die Schule über eine virtuelle Lernplattform mit interaktiven Übungen, welche die Lehr- und Lernprozesse dynamischer machen und zur Attraktivität des neuen Lernszenarios beitragen.

Das Schaffen von Lernerfahrungen zur Förderung der Selbstständigkeit und Organisationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler, das Anbieten von Räumen zur Entwicklung einer stärkeren Selbstwahrnehmung und Reflexion sowie die eigenständige Aufnahme der Schülerinnen und Schüler von schulischen und familiären Pflichten sind übergeordnete Ziele unserer an der kolumbianischen Karibikküste gelegenen Schule mit einer mehr als 100-jährigen Geschichte.

Im Fokus unserer schulischen Aktivitäten stehen stets die Schülerinnen und Schüler. Ausgehend von dieser Prämisse wurde in den einzelnen Bereichen ein neuer Stundenplan entwickelt, der einerseits die Motivation der Schülerinnen und Schüler fördern soll und dabei andererseits die Zeit der Kinder vor dem Bildschirm im Auge behält. Im Ergebnis enthält der Stundenplan nun virtuelle Treffen zur Durchführung des Unterrichts und autonome Arbeitsphasen, in denen die Kinder zum selbstständigen Arbeiten angeregt werden. Weiterhin bietet unsere Abteilung für bildungspsychologische Beratung jede Woche einen Raum zur emotionalen und psychologischen Betreuung für unsere Schülerinnen und Schüler. Dies ist insbesondere mit Blick auf die emotionalen und mentalen Auswirkungen der Krise eine große Unterstützung. In diesem Sinne werden auch die Klassen für Kinder zwischen 3 und 8 Jahren in kleinere Gruppen aufgeteilt, um die Interaktion zwischen den Lehrkräften und Kindern zu erleichtern. Dadurch wird zudem das Bündnis zwischen der Schule und den Familien weiter gestärkt.

Durch unser Lernmanagement-System (das virtuelle Klassenzimmer), entstehen verschiedene Möglichkeiten, um die Lehr- & Lernprozesse mit Blick auf unsere Schülerinnen und Schüler dynamischer zu gestalten (virtueller Unterricht und autonome Arbeitsphasen). Im virtuellen Klassenzimmer befinden sich zudem eine Beschreibung der Lernziele, die Arbeitsmaterialien, die Aufnahmen der Unterrichtseinheiten und die sogenannte Zona PITS zum differenzierten Lernen. Dadurch können wir auf die individuellen Bedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler eingehen.

Zur Durchführung des virtuellen Unterrichts treffen sich die Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schülern über die Plattform „Teams“. Im Rahmen der autonomen Arbeitsphasen kümmern sich die Schülerinnen und Schüler selbstständig um ihre Aufgaben. Die Lehrkräfte bleiben währenddessen ansprechbar, um sie bei den vorgeschlagenen Aktivitäten zu unterstützen, ihnen einzelne Inhalte genauer zu erklären, Zweifel zu beseitigen und um sie auch emotional in diesem neuen Szenario zu unterstützen.

Bei Verbindungsproblemen oder Stromausfällen wird stets nach alternativen Möglichkeiten gesucht, den entsprechenden Schülerinnen und Schülern die jeweiligen Lerninhalte zu vermitteln. So kann jederzeit auf das virtuelle Klassenzimmer zugegriffen werden, in dem die Aufnahmen des Unterrichts angesehen und die Aktivitäten bearbeitet werden können.  Dadurch wird der Lernprozess der Schülerinnen und Schüler bereichert und der Unterricht enthält insgesamt eine größere Dynamik.

In den fast sechs Monaten der Quarantäne waren insbesondere die Motivation und das Engagement der Schülerinnen und Schüler sowie die gemeinsame Arbeit mit ihren Familien und Lehrkräften die entscheidenden Erfolgsfaktoren in diesem Prozess. Das in den letzten Monaten erworbene Wissen hat es der Schule ermöglicht, die Weichen für den Beginn des neuen Schuljahres zu stellen und unserer gesamten Schulgemeinschaft ein sich kontinuierlich weiterentwickelndes Bildungsangebot zu unterbreiten.

Die veränderten Bedingungen in Bezug auf unsere Arbeit als Schule haben bei uns verschiedene Reflexionsprozesse hervorgerufen, aus denen wir einige Richtlinien für die Praxis ableiten konnten. Besonders wichtig sind uns der Blick auf das Wesentliche des Lebens und das Wohlergehen des Planeten, die Wertschätzung des gesundheitlichen Wohlbefindens und das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Solidarität. Für uns stellen diese Punkte große Chancen dar und wir verstehen, dass wir zu Helden dieser Krise werden können, wenn wir auf uns achten und zu Hause bleiben und damit uns und unsere Mitmenschen schützen.

El Colegio Alemán de Barranquilla y su modelo exitoso en materia de enseñanza virtual

Carlos Lindemeyer, Presidente de la Junta Directiva del Colegio Alemán en Barranquilla

Artículo para el Círculo de Amistad Colombo Alemana

Oficina de Comunicaciones

Colegio Alemán de Barranquilla

 

 

La coyuntura actual ha llevado a las instituciones educativas a nivel mundial a reinventarse y a utilizar la tecnología como un medio para seguir manteniendo viva la escuela y desarrollar sus actividades, con el enfoque de mantener el deseo en la población estudiantil de aprender, descubrir e interpretar el mundo. El reto del Colegio Alemán de Barranquilla es el de dar continuidad a su propuesta de aprendizaje en línea, que incluye prácticas en un campus virtual que dinamicen los procesos de enseñanza-aprendizaje, implementando herramientas que hagan atractivo este nuevo escenario.

El desarrollo de experiencias que promuevan en los estudiantes la autonomía, la autogestión del tiempo, la creación de espacios que favorezcan la autorregulación y metacognición, y la distribución de responsabilidades escolares y familiares, es el principal objetivo de esta institución localizada en la Costa Caribe colombiana y con más de 100 años de historia.

En nuestro colegio los alumnos son el centro de nuestros procesos de desarrollo, a partir de esta premisa se organizó un horario según la sección para mantener la motivación de los niños y no exceder el número de horas de exposición de ellos a la pantalla; es por ello, que se diseñó un horario con encuentros sincrónicos y asincrónicos, y de espacios semanales de atención desde Orientación Psicoeducativa fortaleciendo el proceso de acompañamiento de los estudiantes a través de los canales establecidos, constituyéndose en un gran apoyo para esta población por el impacto emocional y mental generado por el confinamiento. En este sentido, en los niños de edades entre 3 y 8 años, se dividen las clases en grupos más pequeños con el fin facilitar la interacción profesor-alumno y estrechar la alianza familia-colegio.

A través del Sistema de Gestión de Aprendizaje (Aula Virtual), con el que cuenta la institución, se ofrecen diferentes recursos para dinamizar los procesos de enseñanza-aprendizaje de nuestros estudiantes (encuentros sincrónicos y asincrónicos). En esta Aula, se encuentran detalladas las metas de aprendizaje, el material de trabajo, la grabación de los encuentros sincrónicos y una zona PITS de trabajo diferenciado para satisfacer las necesidades individuales de cada alumno.

Durante los encuentros sincrónicos los docentes se encuentran mediante la plataforma Teams con sus estudiantes y se desarrollan las clases bajo la modalidad de aprendizaje en línea. Los encuentros asincrónicos funcionan como un “cubículo virtual” donde los profesores están disponibles para atender a los alumnos, brindarles apoyo en las actividades propuestas, explicarles nuevos conceptos, resolver dudas y validar sus emociones ante este nuevo escenario.

Para los casos relacionados con problemas de conectividad o falta de fluido eléctrico, se busca la forma de hacer partícipes a los estudiantes, que han tenido inconvenientes de este tipo, acerca de la temática brindada a través de los encuentros sincrónicos para que puedan acceder al Aula Virtual en cualquier momento y ver los videos de la clase, y desarrollar así las actividades acordes a este nuevo ambiente de aprendizaje. Estas opciones dinamizan las clases y enriquecen el proceso de aprendizaje de los alumnos.

En los casi seis meses que ha durado el período de aislamiento, la motivación y el compromiso de los estudiantes, el trabajo realizado junto a sus familias y los docentes, han sido los factores de éxito dentro de este proceso. Los aprendizajes alcanzados durante estos últimos meses le han permitido al colegio trazar la ruta para el inicio del nuevo Año Escolar y brindar una mejor oferta cada vez mejor a toda nuestra comunidad escolar.

Los procesos de reflexión sobre las buenas prácticas en esta nueva modalidad de escuela, llevaron a la institución a la construcción de unos acuerdos que guiarán las prácticas.Dar una mirada a lo esencial de la vida y al bienestar del planeta, valorar la importancia de la salud y tomar conciencia del valor de la solidaridad, se constituyen en grandes oportunidades, en la medida que comprendemos que somos héroes al quedarnos en casa porque esto busca el bienestar de los demás.

Ein Tag in San Gerónimo

Corona-Update
San Jerónimo, Colombia 
Wochenende 29./30. August 2020
Wolfgang Chr. Goede, Text & Foto

 

Unser Dschungel-Camp 2.0 –
oder von der hohen Kunst des Improvisierens

Ein Bericht über unseren Tagesablauf während der Quarantäne im ländlichen Kolumbien. Wer nicht improvisiert, geht unter: Eine harte Lektion für uns Deutsche. Der Bericht stammt vom 20. August. Am letzten Augustfreitag fuhr ich erneut ins Pueblo hinunter, um für die DKF-Fassung des Berichts Fotos zu schießen. Unten streikte meine Kamera – typisch, Murphys Law, die unbequeme Anreise für nix? Aber ich habe gelernt, mich mit den Umständen zu arrangieren. Ich benutzte meine Handy-Kamera, die allerdings nur für Selfies funktioniert, mehr schlecht als recht, und die ich noch nie eingesetzt hatte. Ich wurschtelte mich durch und finden Sie nicht auch: dass die improvisierte Fotoqualität zum Inhalt passt? Noch etwas anderes hat mich beeindruckt. Acht Tage nach meinem letzten Besuch fand ich jetzt ein ganz anderes Dorf vor. Nächste Woche, am 1. September will Kolumbien sich wieder öffnen. Es herrschte bienenemsiges Treiben – Euphorie lag in der Luft. Endlich! Nach über fünf Monaten strengem Lockdown wieder ein bisschen Freiheit – mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Was soll’s! So fühlt man sich, wenn man einem Gefängnis den Rücken kehren darf.

Ich habe schlecht geträumt. Dass ich mit einem Skorpion, fest umschlungen, geschlafen hätte. Luz hatte am Abend in der Finca-Wohnung eines dieser Giftstacheltierchen gesichtet. Glücklicherweise ein ungefährliches schwarzes. Zusätzlich zur Kröte. An die haben wir uns gewöhnt. Auch dass sie im Wohnzimmer immer so einen penetrant stechenden Geruch hinterlässt.

Eigentlich will ich um sechs Uhr früh auf den Beinen sein. Heute ist Einkaufstag. Mein kolumbianischer Ausweis endet mit einer geraden Zahl. Damit habe ich überallhin Zutritt.Juchhe!

Nur … es regnet, eine äquatoriale Sintflut. 20 nasse Minuten bis zum Haltepunkt des Pickups gehen? Der um sieben über den schlagloch-übersäten Feldweg ins Dorf hinunterrumpelt.

Ich wickele mich fest in meine drei Decken und schließe wieder die Augen. Es ist kalt und feucht.

Corona hat unser Leben komplett auf den Kopf gestellt. Eigentlich hätten wir zwei Fahrzeuge, einen Nissan Jeep Baujahr 1984 und einen TucTuc. Bei beiden ist der TÜV abgelaufen. Er lässt sich nicht erneuern, weil die Gemeinden sich gegeneinander abschotten.

Da hilft kein Jammern, auch kein Beten: Wir müssen uns durch alle Widrigkeiten improvisieren hier im Outback! Darin sind die Hiesigen Meister, Deutsche Lehrlinge.

Dann reißt auch noch das Internet ab. Opfer der Regenfälle. Luz unterrichtet gerade Englisch aus dem Finca Home Office und steht buchstäblich im Regen. Das mehrfach in der letzten Zeit. Überlebenswichtig: Ohne Internet kann sie ihren Job an den Nagel hängen.

Dafür hat der Regen draußen aufgehört. Für zehn Uhr bestelle ich ein Motorradtaxi und fahre als Sozius ins Dorf hinunter. Grandioser Ausblick! Die majestätischen Kordilleren schmiegen sich in Wolkenzuckerwatte. Dazwischen Wolkengeschwader, von weiß bis schwarz, in allen Nuancen dazwischen. Dramaturgie pur, die sich über den Himmel wälzt.

Großes Anden-Kino! Dass Mateo über Stock und Stein einhändig fährt, mit der anderen Hand telefoniert, keinen Helm für mich hat, stört mich nur, wenn ich ums Gleichgewicht ringe.

Erste Station in San Jerónimo: Einkauf von Baumaterialien für die Finca. Damit unsere Arbeiter weiterkommen mit Reparaturen und Umbauten des einstigen Hostels – Zukunft ungewiss. Regelmäßig bringen sie uns Bananen und Avocados aus ihren Gärten. Pünktlich um sieben Uhr früh legen sie los, singend und scherzend, handwerklich perfekt, enorm flott. Beim Materialnachschub kommen wir kaum hinterher. So fix schießen die Preußen hier – Campesinos Rapidones Antioqueños.

Das Bestellen geht ruckzuck. Aufwendiger war das „Bio-Sicherheits-Protokoll“ beim Betreten des Baugeschäfts: Aufschreiben der Ausweis- und Telefonnummer, Desinfektion, Fiebermessung. Komisch, immer unter 35 Grad. Obwohl Typus Schwitzer, eher nervös, bin ich temperaturtechnisch offensichtlich Kaltblüter und unterstresst.

Kommunikation bleibt ein Kopfschmerz in Corona-Zeiten. Die Campesinos in ihrem typischen Singsang klingen durch die Masken noch nuscheliger. Ich muss oft nachfragen. Sie auch bei mir mit meinem ungewohnten Akzent. Telefonieren im oberdrein verrauschenden WhatsApp Modus ist wie „Stille Post“.

Vorm Geschäft wartet im TucTuc bereits Uriel, Mateos Papa. Wir verladen Farbeimer, Bürsten, Nägel, Stangen, Säcke. Ein Fanfarensignal, Anruf. „Hijo de pucha“, entfährt es Uriel. Er muss von jetzt auf sofort einen weiteren Auftrag annehmen, will aber gleich zurücksein.

Gleich heißt hier eine Stunde, ein Tag … Wir laden alles wieder aus. Der Firnisbehälter ist schlecht verschlossen. Igitt, meine Finger verfärben sich dunkel und kleben.

Nach nur 15 Minuten kommt Uriel zurück. Hinter ihren Masken erkennt man die Menschen kaum. Meinen Chauffeur nur durch den aufgedruckten Kieferknochen mit Riesenzähnen auf dem „Maulkorb“. So nennen sie hier ihren Mundschutz.

Nächster Halt ist D1, der hiesige Aldi. „Ruf mich an, wenn du fertig bist“, sagt Uriel beim Absetzen und weg ist er. Kruzifünferl, mein Handy funktioniert doch nicht!

Ich bin der vierte in der Warteschlange. Nach 20 Minuten werden selbst die geduldigen Kolumbianer unruhig. Warum stehen wir uns weiterhin die Beine in den Leib? Wenn drinnen kaum mehr ein Kunde ist?

Die Sonne hat die Wolken weggebrannt. Ihre Strahlen schießen wie glühende Pfeile fast senkrecht von oben, bei sieben Grad nördlicher Breite und 800 Höhenmetern. Scheiß- äh Schweißtropen.

Endlich: Einlass. Meine Temperatur ist nur um 0,1 Grad gestiegen. Die Regale biegen sich, Kunden schwatzen entspannt. Beim Auschecken meckert die Kassenelektronik. Meine Spardagirokarte, auch die Visa-Schwester sind ihr nicht genehm. Sei auf der Hut, habe immer eine dritte parat! Die einheimische funktioniert.

Uff! Die Kassiererin und ich lächeln. Sie blickt mir aus fast pechschwarzen Pupillen tief in die Augen. „Wo bist du her?“ „Deutschland.“ „Mich entzückt dein Akzent“, ertönt‘s aus dem visierartigen Vollgesichtsschutz. Ich danke. So viel Charme erlebe ich im Münchner Aldi nie. Dort sind meine blauen Augen auch nicht so sehenswert.

Wie ein Packesel trete ich auf die Straße. Rucksack und über die Schultern gehängte Tragetaschen, alles proppevoll. So prollig geht man hier nicht durch die Öffentlichkeit. Sondern winkt sich ein Taxi-TucTuc und lässt sich herumkutschieren. Spätkoloniale Gutsherrenmentalität! Ich schwitze den Berg hoch, habe noch eine Liste dringender Erledigungen.

Mein Handy kriegt endlich ein Checkup. Ich staune, mal wieder. Die Dame vom Tele- Shop bedient gleichzeitig fünf andere, hat aber umgehend spitz: Wenn ich die kolumbianische Ländervorwahl entferne, klappen meine Anrufe. Verdammt, warum komme ich nicht selbst darauf?

Mir fehlt Improvisations- und Experimentiertalent für unser Dschungel-Camp-Leben. Wie so oft in den letzten Wochen trauere ich meinem geregelten Leben in München nach. Mittags Kiesertraining, danach in die Stabi, Weltpresse von vorne bis hinten, im Café eine saftige Mohnschnitte mit schaumigem Cappuccino, bis 23.45 Uhr auf der Bibliotheksempore, stets Platz 304 arbeiten, im Bierstübchen im Oly-Dorf noch ein Weizen zischen, sonntags rudern. Sehr – zu bequem?

Früher sind wir durch die Weltgeschichte getrampt, mit einem Seesack, darin Zelt und Schlafsack. Haben geschlafen, wo immer wir abends landeten, in Holland mitten im Autobahnkreuz, im Royal Park von Edinburgh. Ohne viel Überlegen jahrelang in die Amerikas ausgewandert. Heißa, was kost‘ die Welt! Typen wie mich heute nannten wir damals geringschätzig „bürgerlich“.

Mittlerweile stehe ich vor den beiden einzigen ATMs im Dorf. Einer kaputt, vorm anderen eine Schlange. Warten, schon wieder. Schließlich: 4 Abhebungen á 600.000 Pesos, in Scheinen á 50.000, 20.000, 10.000. Das ist viel Kohle hier. Immerhin: Sehr spendabel die Bank heute. Sonst rückt sie nur 600.000 raus, manchmal auch nix.

Nur: Wohin mit dem Papierberg? Ich stopfe ihn in die weiten Hosentaschen. Die zehnköpfige Schlange schaut neugierig zu – wer sonst noch? Samstagmittags (hier gibt’s noch die fünfeinhalb-Tage-Woche) zahlen wir unsere Arbeiter bar aus. Keiner hat ein Bankkonto. Soo umständlich … h-i-l-f-e.

Ein Anruf – funktioniert, welch Euphorie! Minuten später tuckelt mein treuer Uriel um die Ecke. Er und seine Familie kämpfen ums Überleben mit ihrem kleinen Fuhrpark.

Seit März Quarantäne. Kein Mensch fährt größere Distanzen.

Hey, wie gut geht’s uns Deutsche! An denen der Corona-Kelch vorbeiging – bisher. Ich mit verlässlichen Kontoeingängen am Monatsersten. Worüber reg ich mich auf?

Von meinen Euros profitiert auch unser Gärtner Isaias. Wir haben ihn von Halb- auf Vollzeit befördert, zum Generalmanager. 250 Euro monatlich, über die Hälfte eines Lehrergehalts. Mit Arbeitsvertrag inkl. Kranken- und Altersversicherung.

Fast königlich in einer Arbeitswelt mit 50 Prozent informell-prekär Beschäftigten, jetzt auch noch corona-rezessiv. Isaias‘ halbe Großfamilie ist mittlerweile auf unserer Baustelle beschäftigt.

Wir holpern im Dreirad-TucTuc den Feldweg hoch. Uriel telefoniert ständig. Der Regen spült die Schlaglöcher immer tiefer aus. Eigentlich wären wir im Sommer. Der ist hier ausgefallen. Globaler Klimawandel!

Mein armer vom vielen Sitzen, Lesen, Computern bandscheiben-lädierter Rücken! Schläge muss ich ausgleichen, nicht steif wie eine deutsche Eiche, sondern wie ein hiesiger Bambus, auf dem Sitz Salsa tanzen, aber auch nicht so mein Fall.

Noch gehen wir schwanger: Was machen wir mit unserem ehemaligen Hostel, mittlerweile in „La Tal Finca“ umbenannt? Bei allen Widrigkeiten: 1500 Gäste in den letzten acht Jahren und mehrere tausend Follower mögen unser Anwesen.

Sein Erwerb entstand aus einer Schnapsidee bei einer Hawaii-Reise: Bieten Kolumbiens Schönheiten nicht viel mehr als die Vulkaneilande? Unsere Besucher gaben uns recht, nahmen verstopfte Klos, Insektenstiche in Kauf. Gerade huscht eine fette Spinne über meinen Monitor.

Für den Post-Lockdown denken wir an ein Zentrum für internationale Sprachferien, Kulturaustausch, Psychohygiene. Aber, ganz im Ernst, sollten wir nicht ein Dschungel-

Camp ausschreiben? Nicht für TV-Promis, sondern Normalos?

Selbst unsere pingelige Tochter hat hier zehn Monate gelebt, überlebt, stressigen Hostelbetrieb zeitweise solo gestemmt, fürs Leben gelernt. Ihr heutiger Mann hat gelernt, dass ein kaputter Fahrradschlauch zehn Leben hat. Zum perfekten Abdichten lecker Leitungen taugt wie für fast schweißfeste Verbindungen.

Um die Ecke denken mit ein bisschen Humor richtet’s: die wichtigste Finca-Lektion.

PS: Wieder hatte ich so‘n komischen Traum. Dass meine Redaktion auf eine Waldlichtung verzogen war. Wir draußen unter Wellblechdächern arbeiteten, bei jedem Wind und Wetter. Im Postkörbchen fand ich statt meiner täglichen Zeitungslektüre eine Pudelmütze. Absurd? So starteten 1945 „Süddeutsche“ und „Spiegel“. Um Überleben zu lernen musste man nicht nach Kolumbien reisen.

Dieser Bericht erschien am 24. August 2020 in angstfrei.news unter 360° [→ angstfrei.news](https://www.angstselbsthilfe.de/angstfrei-news/montag-24-august-2020-8- uhr/)

[→ La Tal Finca](http://hostallafinca.com/en/28-2) Fotolegenden © Goede (von oben nach unten)

1 San Jerónimo, im Tal zwischen Medellín und Sta Fe de Antioquia, 15.000 Einw. (2018), starker Zuzug aus Medellín, 800 Höhenmeter, tropisches Klima um 30 Grad Celsius, an den Bergen rundherum gemäßigte 20 bis 25 Grad.
2 Auf der Plaza im Zentrum erwacht wieder das Leben – „genug Quarantäne“: Im September wollen Antioquia und viele andere Regionen Kolumbiens wieder öffnen.

3 Lange Warteschlangen für den Empfang der Corona-Wohlfahrts-Unterstützung. 4 Für die Wiedereröffnung nächste Woche wird alles blitzblank geschrubbt.
5 Keine langen Warteschlangen mehr vor D1, dem hiesigen Aldi.
6 Kein Dorf ohne Kirche – seit Jahren steht ihr Zeiger auf fünf Uhr.

7 Sotrauraba-Busse nach Medellín fahren bereits wieder – Ende von über fünf Monaten Zwangsurlaub: Der Fahrdienstleiter freut sich.
8 Wandgemälde: Die koloniale „Puente del Occidente“ über den Cauca-Fluss ist Lokalattraktion.

 

Zwei Tage vor dem Finale der Champions League

 

Un final de la Liga de Campeones vivido en Colombia 2012

 

Con la ocasión del final de la Liga de Campeones 2020 entre Paris Saint-Germain y el Bayern de Munich, en este domingo, 23 de agosto, miramos una vez atrás al final 2012.

En mi viaje por Colombia en 2012 estuve en Salento durante el final en el día 19 de mayo, un partido otravez con el Bayern de Munich y el Chelsea de Londres en el famoso “finale dahoam”.

El primer tiempo fue lento y determinado por táctica.

Al final se puso dramático y en los penales el Bayern perdió los nervios. Schweinsteiger si disparó y hubo lágrimas entre los avicionados.

 

© Texto y Fotos Frank Semper

Un mensaje optimista para un mundo en crisis

Dr. Frank Semper für DKF-Blog

14/08/2020

 

Juan Manuel Santos.

Un mensaje optimista para un mundo en crisis.

Prologo de Steven Pinker

Editorial Planeta, Bogotä 2020

Kindle E-Book €10,99

 

(K)Eine leichte Sommerlektüre

Immer wenn vom Ex-Präsidenten Älvaro Uribe die Rede ist, wie in diesen Tagen, als ihn das oberste kolumbianische Strafgericht, die Corte Suprema, wegen des dringenden Verdachts der Bestechung und des Prozessbetruges unter Hausarrest gestellt hat, stellt sich auch die Frage, womitsein Amtsnachfolger Juan Manuel Santos (JMS) augenblicklich beschäftigt ist.

Anders als Uribe, der nach wie vor kräftig in der Tagespolitik mitmischt, ist JMS nach Ende seinerPräsidentschaft in andere Sphären entschwebt. Der Friedensnobelpreisträger von 2016 spielt nunmehr, wie viele der handverlesenen Persönlichkeiten, denen diese herausragende Auszeichnungzuteil wurde, zumal wenn sie einmal Staats- und Regierungschef gewesen sind, wie Michael Gorbatschow, Nelson Mandela oder Barak Obama, in einer anderen Liga. Sie genießen durchweg große internationale Anerkennung, aber ihre außerordentliche Visionsgabe, die das Weltgeschehenals Ganzes in den Blick zu nehmen gewohnt ist, fördert auch die Neigung zur Abgehobenheit und macht sie in ihren jeweiligen Heimatländern umstritten und gelegentlich unbeliebt. JMS ist da keine Ausnahme.

In den meisten demokratisch verfassten Staaten haben sich augenscheinlichzwei ganzunterschiedlicheRegierungsstile entwickelt,dieaufkonträrenÜberzeugungen fußen und von ganzunterschiedlichenPolitikertypenverkörpert werden.JMSversteht es glänzend Politik zumoderieren und verschiedene Fachmeinungen in den Entscheidungsprozess einzubinden, darin derin diesem Metier beispielgebenden deutschen Kanzlerin nicht unähnlich, wohingegen der einemautoritärenRegierungsstil zuneigendeAlvaroUribenichtaufAusgleichsetzt, sondern seineGefolgschaft durch Polarisierungenund massiveAnfeindungen gegenüber dempolitischenGegneran sich zubindenversteht.

Derstudierte Ökonom und JournalistJMS hatnachdem Endeseiner langen und erfolgreichen politischen Karriere seinen neuen Platz im erlauchten Kreis derdistinguierten Wissenschaftler gefunden.Als Gastprofessoran der EliteuniversitätHarvard undMitglied imExekutivausschussderrenommierten Rockefeller-Stiftung wurdeer vonden Angehörigen der Ostküsten-Elite indenUSAalseinervon ihnenaufgenommen. Dort atmet er die vertrauteakademischeund weltpolitische Luft,dieerschon als Sohneines angesehenen ChefredakteursundHerausgebersvon Kolumbiens größterTageszeitung, El Tiempo,imElternhausaufdie ungezwungeneArt und Weise und mit der Selbstverständlichkeitin sich aufgenommen hatte, wie sie nur einem Angehörigenvon Bogotas Führungsschicht zueigen ist.

In seiner jetzt beim Editorial Planeta publizierten Schrift versucht er, die aktuelle Situation Kolumbiens aus der Sicht des Optimisten zu beschreiben und zu beurteilen. Er gibt sich alsglühender Verehrer des bekannten „Star-Denkers“ und Harvard-Kollegens Steven Pinker zuerkennen und bricht eine Lanze für dessen Weltsicht des Optimismus (gewonnen aus Evidenz). DerBestsellerautor Steven Pinker („Aufklärung Jetzt“) ist eine umstrittene Figur, den man durchaus alsPsychologen für Nicht-Psychologen bezeichnen darf Das muss kein Manko sein, auch andere prominente Wissenschaftler haben ihre weltweite Berühmtheit jenseits der Grenzen ihres Fachgebietes mit Publikationen für die breite Öffentlichkeit erworben, beispielsweise der HistorikerYuval Harari („Homo Deus“) oder der Ökonom Thomas Piketty („Das Kapital im 21.Jahrhundert“).

Wunderbar, könnte man meinen, wenn sich bei Pinker – und (ihm folgend) JMS – der Optimismus nun überschwänglich auf Kolumbien richtet!

Dabei geht es nicht um den Optimismus als entspannte Geisteshaltung zur Förderung des individuellen, familiären oder gar gesellschaftlichen Lebensglücks, sondern um seine Funktionalisierung als politisches Programm, wenn nicht politische Theorie zur allgemeinen Verbesserung der Welt und der Lebensbedingungen seiner Bewohner.

Pinkers Thesen passen in die Zeit. Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Dieses Mantra hämmern uns die Börsen tagtäglich ein. Ob der Optimismus aber als allgemeine Richtschnur politischen Handelns zum Zweck der Verbesserung der Welt wirklich taugt, darf mit Fug und Rechtbezweifelt werden, schon eher beschleicht einen der Gedanke, dass in der Huldigung des Optimismus einmal mehr das Opium des Volkes am Werke ist, um das Wohl der (guten)Regierenden zu mehren.

Pinker, der das Vorwort zu JMS „Optimistischer Botschaft für eine Welt in der Krise“ beigesteuert hat, liest aus den Statistiken über den historischen Verlauf der letzten Jahrhunderte eine stete Entwicklung zum Positiven heraus. Alles habe sich verbessert, es gebe weniger Kriege, weniger Gewalt, weniger Armut, weniger Hunger, mehr Bildung, mehr Wohlstand, mehr Demokratie, und das weltweit und mehr oder weniger kontinuierlich.

Warum wollen dies die meisten Zeitgenossen bloß nicht wahrhaben, sondern insistieren auf die vielen Missstände in der Welt? Dazu liefert Pinker eine schlichte wie reflexartige Erklärung. Schuldseien die Medien, die die Wahrnehmung der Welt bestimmten und verzerrten, die „von raren Ereignissen wie Kriegen, Epidemien oder Katastrophen berichten, nicht vom Alltag, also von Frieden, Gesundheit und Sicherheit. Diese Neigung zum Negativen verstärke sich noch, weil die Journalisten um Klicks kämpfen und als Moralprediger ihr Publikum aus seiner Selbstzufriedenheitreissen wollen.“

(Zitat aus der NZZ vom 02.02.2019 – Hier geht es zum Link)

Die These, dass die Welt immer besser werde, versuchen Pinker, bezogen auf die Welt und JMS, bezogen auf Kolumbien, mit einer Vielzahl an statistischen Daten zu belegen. Dabei sind nicht die Daten das Problem, sondern ihre vorgenommene Bewertung und die angelegten Vergleichsmaßstäbe.

Ein Beispiel. Kolumbien gehört nach Ansicht der Vereinten Nationen im lateinamerikanischen Kontext zu den Ländern mit dem höchsten Grad an Ungleichverteilung in punkto Einkommen und Vermögen, abzulesen am sog. GINI-Koeffizienten. Hierbei wird die Einkommensverteilung entlangeiner Strecke zwischen 0 und 1 dargestellt, wobei die höhere Zahl ein höheres Maß an Ungleichheitbeschreibt. Der Koeffizient sei in den 1990er und Nullerjahren gleichbleibend hoch gewesen und erst zwischen 2010-2018 in signifikanter Weise von 0.563 auf 0.517 gefallen. Damit habe sich Kolumbien vom letzten Platz (gemeinsam mit Haiti) auf eine gute Position im Mittelfeld des Länderrankings vorarbeiten können. Das stelle, laut Expertensicht, so JMS, auf diesem Niveau einegewaltige Verbesserung da. Stimmt die Aussage, ist das eine Vermutung oder gesicherte Erkenntnis und welche Erklärung hat er dafür? Schließlich deckt sich der angegebene Zeitraum mitdem Mandat seiner Präsidentschaft. Wir erfahren es leider nicht.

Zustimmen wird man JMS mit der positiven Beurteilung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung hinsichtlich der makroökonomischen Faktoren wie der Entfaltung von Unternehmensgeist oder bei der Bewertung der kolumbianischen Geldpolitik mit einer noch immerweitgehend unabhängigen Notenbank (Banco de la Repüblica), geringer Staatsverschuldung und moderater Inflation. Auch eine funktionierende Gewaltenteilung mit intakten Institutionen gehört zuden großen Pluspunkten Kolumbiens im lateinamerikanischen Vergleich, ohne dass man zu dieserFeststellung auf den Optimismus rekurrieren müsste. Schade allerdings, dass diese positivenBefunde einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind.

Wenig bis gar nichts erfährt man aber zur anhaltenden desolaten Menschenrechtsproblematik (den erschreckend hohen Zahlen ermordeter sozialer Aktivisten seit dem Friedensschluss), die Rolle derArmeeführung bei der Rekrutierung und anschließenden Ermordung junger Männer aus den Armenvierteln von Bogotä, sog. falsos positivoss, sowie zur gegenwärtigen und zukünftigen Rolleder afrokolumbianischen Gemeinschaften und indigenen Völker. Ihnen allen wünschte man ein wenig mehr von dem ansonsten geradezu verschwenderisch verteilten Optimismus.

JMS ist während seiner Präsidentschaft in Kolumbien vieles gelungen, das zuvor kaum möglich schien und sein positives Denken wird ihn in seinen Überzeugungen bestärkt haben, einen Friedensvertrag mit der bis dahin ältesten und kampfstärksten Guerilla des Kontinentes abzuschließen, eine außerordentliche Willensleistung, die viele seiner Vorgänger nicht aufbringen wollten oder konnten, wodurch er dem Land das Tor zum 21. Jahrhundert geöffnet hat. Der nun vorliegende Interviewband präsentiert die aktuelle Faktenlage in Kolumbien übersichtlichund eingängig formuliert, dennoch weiss JMS mit seinen Ausführungen nur bedingt zu überzeugenund bereitet mit seiner Überdosis an Optimismus all denen, die sich ernste Gedanken um die Zukunft des Landes machen, anhaltende Kopfschmerzen.

 

Beethoven für Rapper und Breakdancer in Medellín

Blog-Autor Wolfgang Goede, zur Zeit in San Jeronimo (bei Medellín) , schrieb uns diese Mail:

„… aus München flog mir dieses 3Sat Video über das Beethoven Jubiläum zu =>

https://www.3sat.de/kultur/kulturdoku/diesen-kuss-der-ganzen-welt-102.html

Sehr beeindruckend, der Rapper Andrés Felipe Gonzalez aus Medellín, der zusammen
mit seinen Freunden zu Beethoven Breakdance veranstaltet:
Medellín, Welthauptstadt der Innovation — auch in der Interpretation der Weltmusikklassiker!“