Ein Besuch in der Schule in Souloguamana (La Guajira, Kolumbien)

    
    Beitragsautor:

     Michael Zysk
     Für den Blog im Juni 2023
     (Die Urheber der Fotos sind mit den Fototiteln angegeben)

     Alle Beitragsautoren des DKF-Blogs
     vertreten ihre persönlichen Ansichten.

Hinweis der Redaktion:
Die Schule in Souluguamana (La Guajira, Kolumbien) wurde mit Unterstützung durch das Wayuu-Projekt der DKF-Niederlassung Rheinland-Ruhr errichtet.

 

Besuch der Schule in Souluguamana 

Am 09. März 2022 besuchten wir, Micha, Jannik und Paul die Rancheria Souluguamana in La Guajira, Kolumbien. Der Besuch war während unserer La Guajira-Reise vom 03.März bis 31. März 2022 bereits im Vorfeld fest eingeplant gewesen. Bevor ich (stellvertretend auch für Jannik und Paul) unsere Eindrücke schildere, möchte ich zunächst Beate Busch vom Deutsch-Kolumbianischen-Freundeskreis e.V. (Niederlassung  Rheinland-Ruhr) danken. Sie hatte uns nämlich den Kontakt zu Felix Montiel hergestellt, der für uns vor Ort nicht nur Ansprechpartner war, uns von A nach B brachte, uns Unterkünfte organisierte oder uns die Drehgenehmigungen einholte, sondern, der während unserer Reise ein Freund wurde.

Mehr zu uns und was wir mit unserer Reise bewirken wollen, gibt es am Ende des Textes. Zunächst möchte ich hier unseren Besuch in Souluguamana schildern. Es ist einer von zwei Berichten, den ich für den Deutsch-Kolumbianischen-Freundeskreis e.V. (Niederlassung  Rheinland-Ruhr) anfertigen darf. Im zweiten Bericht geht es um den Besuch in Alainawao. 

Ankunft in Souluguamana 

Mit dem Pick-up von Felix ging es den sandigen unebenen Weg, entlang karger Vegetation, zu unserem nächsten Halt – die Rancheria Souluguamana, mit der dortigen Schule, die mithilfe des Deutsch-Kolumbianischen-Freundeskreis e.V. (Niederlassung  Rheinland-Ruhr) erbaut wurde. Es war nicht unser erster Schulbesuch in La Guajira und dank der Unterstützung von Felix waren wir gut vorbereitet auf die förmliche Begrüßung mit der dortigen Autorität – also jener Person, die für die dort zugehörigen Menschen der Rancheria, die Anliegen vertritt. Dazu übergab ich das Akolojooshi  (Geschenk /spanisch: presente o regalo). Es besteht aus Kaffee, Zucker, Öl, Maismehl, Reis und Salz. Viele Worte wurden dabei nicht gewechselt. Nach kurzer Wartezeit wurde uns ein stark gesüßter, schwarzer Kaffee angeboten, der Gästen üblicherweise gereicht wird. Wir schauten uns das grün gestrichene Schulgebäude an, indem die Kinder noch unterricht hatten. Eines der Gebäude war noch nicht ganz fertig gestellt, wie auf dem Foto zu sehen ist. Wir überlegten uns, wie wir dieses Mal die Kinder einbinden konnten. Beim Schulbesuch in Pajaro, den wir einige Tage vorher unternahmen, durften die Kinder sich selbst interviewen und dabei die Hauptkamera von Paul benutzen. Einige der Kinder waren jedoch bereits im jugendlichen Alter und hatten schon Erfahrung im Umgang mit Smartphones, deswegen fiel es ihnen ziemlich leicht. Hier in Souluguamana sind die Schüler*innen etwas jünger und somit beschlossen wir, ihnen die GoPro zu geben sowie einige Ausschnitte, unter Anleitung von Paul, mit der Hauptkamera einzustellen.

Schulgebäude, Fotograf Michael Zysk

Die Kinder saßen weiterhin in dem kühlen schattenspendenden neuem Schulgebäude und so konnten wir noch ein paar Eindrücke des ruhigen weitflächigen Areals sammeln. Besonders auffallend war ein Windrad aus Metal, welches hoch hinaus ragte.

Der Unterricht war beendet und Paul baute, umringt von den Schüler*innen, die Hauptkamera auf dem Stativ auf. Dabei zoomte er mit der Kamera auf das drehende Windrad. Die vielen Schüler*innen, die sich um die Kamera versammelten, konnten die Einstellung des Windrades gut sichtbar auf einen kleinen Monitor mit anschauen.

Kinder verlassen die Schule, Fotograf Jannik Steusloff

Die beiden Lehrpersonen Edson und Carmen besprachen mit uns das weitere Programm. Wie Felix uns im Vorfeld verriet, werden in Souluguamana besonders viele traditionelle Wayuu-Bräuche gelebt. Unter dem schattenspendenden Baum, unter dem auch die Kamera aufgebaut war, sollte die Präsentation bald beginnen, weswegen wir mit der Kamera umziehen mussten. Ich gab einem der Kinder die GoPro, die nun den Schüler*innen zur Verfügung stand, um selbst zu filmen.

Während der unterschiedlichen Darbietungen, die uns gezeigt wurden, kommentierten die beiden Lehrkräfte Carmen und Edson für uns das Geschehen. 

Präsentation Tanz Yonna oder Younaa 

Im Rhythmus der Kasha-Trommel, die von einem Erwachsenen gespielt wurde, bat ein Junge, die Mädchen zum Tanz. Jeder Schritt hat eine bestimmte Bedeutung und ist nach den Tieren der Uchii-Vorfahren, den von Maleiwa geschaffenen Tieren, modelliert. Dabei läuft der Junge rückwärts und versucht stets vor dem vorwärtslaufenden Mädchen zu bleiben, ohne von ihr zu Fall gebracht zu werden. Wir durften es woanders auch mal ausprobieren und was in diesem Fall, bei den Schüler*innen, so einfach aussah, war für uns ziemlich schwer und anstrengend. Der Tanz ist sehr ästhetisch, besonders durch die wehenden roten Gewänder, die die Mädchen dabei mit ihren Armen aufspannten. Es wirkte fast wie gleitende Vögel, die ganz in den Farben des Cardenal Guajiro (Guajiro-Kardinal), über den staubigen Wüstenboden, erstrahlten.

Yonna Tanz, Fotograf Jannik Steusloff

In der Wayuu-Kultur wird der Guajiro-Kardinal als ein symbolträchtiger Vogel angesehen, der eine besondere Bedeutung als Bote hat. Über die rote Farbe des Vogels gibt es eine ziemlich blutige Erzählung, die ich hier jedoch nicht teilen werde, aus Angst wichtige Informationen auszusparen oder falsch zu übermitteln. Während unseres Aufenthaltes haben wir leider keinen Guajiro-Kardinal gesehen. Ich bin mir nicht sicher, ob der blutrote Vogel als wichtiger Teil des rituellen Gesangs und Tanzes verwendet wird. Das müsste ich bei der nächsten Reise genauer erfragen.

Zumindest wird der Tanz gerne Tourist*innen vorgeführt und so haben wir ihn im Laufe unseres Aufenthaltes öfter gesehen. Inwieweit dieser Tanz in seiner traditionellen Bedeutung noch praktiziert wird, können wir nicht sicher sagen.

Yonna oder Younaa ist jedenfalls stark repräsentativ für die Wayuu in La Guajira und somit auch Teil dieser Repräsentation. Für uns war es sehr beeindruckend anzuschauen

Präsentation Aapiraa (Ringen / spanisch: Las luchas libres) und Jaatut (Bogenschießen/ spanisch: Tiro con arco) 

Aapiraa, vergleichbar mit dem Ringen, wurde uns im Anschluss des Yonna/Younnaa präsentiert. Dies war besonders spannend, weil wir von dieser Art von Wettkampf noch nie gehört hatten und weil die teilnehmenden Jungen sehr motiviert waren. Die beiden Jungen versuchten sich dabei zu Boden zu ringen. Angefeuert von den Mädchen gab es am Ende auch einen klaren Sieger.

Ringen, Fotograf Jannik Steusloff

Im Anschluss folgte das Bogenschießen, genannt: Jaatut 

Präsentation Suwatirá Ama’a (Wettlauf/spanisch: Carrera de caballo) 

Zum Abschluss gab es ein Wettrennen, bei dem auch Jannik am Ende mitmachte, der jedoch chancenlos war J

Eine Gruppe von Schüler*innen stellte sich gemeinsam an einer Linie auf und nach einem Startsignal liefen sie um die Wette. Sie mussten am markierten Ende der Strecke wieder umkehren und so wurde die Startlinie zur Ziellinie.

Es gab mehrere Durchgänge mit verschiedenen Gruppen und das war noch mal ein schöner Abschluss der Vorführungen.

Nun kam die Drohne zum Einsatz. Wir hatten ähnliches schon zuvor mit Schüler*innen einer anderen Schule gespielt, die dabei viel Spaß hatten. Ziel ist es der Drohne hinterherzulaufen und sie womöglich zu überholen. Die Kinder wurden dabei aufgenommen und konnten sich am Ende, eines jeden Versuches, das entstandene Video angucken. In Souluguamana blieb es jedoch nur bei einem Versuch, weil sich die Drohne in einem Baum verfing und abstürzte, danach war sie erstmal manövrierunfähig.

Doch ein Spaß war es allemal. 

Schulheft, Bleistift, Radiergummi und Anspitzer 

Am Ende verschenkten wir noch unsere Mitbringsel, die wir Tage zuvor in Riohacha einkauften. Während Paul filmte, verteilten Jannik und ich die Geschenke, bestehend aus Schulheft, Bleistift, Radiergummi und Anspitzer. Die Kinder reihten sich dazu hintereinander auf und kamen dann einige Schritte vor, um die Sachen entgegenzunehmen. Einige wirkten sichtlich verunsichert und mussten von den Lehrkräften mehrmals aufgefordert werden, sich das Geschenk abzuholen. Ich ging dabei in die Hocke, um zumindest auf Augenhöhe mit den Kleinsten von ihnen zu sein. Da wir in der Schule zuvor ähnliche Erfahrungen gemacht hatten und uns nicht ganz wohl beim dem Procedere war, baten wir Felix, mit Carmen und Edson zu sprechen, ob sie die Geschenke nicht einfach verteilen können. Aber es war ihnen wichtig, dass die Kinder sehen, dass wir nicht mit bösen Absichten gekommen sind und „gut“ sind. Wir haben ihren Wunsch respektiert, dennoch blieb ein Unbehagen, da es symbolisch für die jahrzehntelange „Entwicklungshilfe“ steht, bei der die „Weißen“, aus dem globalen Norden, die großzügigen Geber*innen sind und zum Teil jedoch selbst das Problem sind, indem sie ein Abhängigkeitsverhältnis schaffen und teilweise strukturelle Veränderungen indirekt bremsen.

Während unseres Aufenthaltes haben wir versucht, unser Verhalten dahingehend zu reflektieren. Ich denke, dass es wichtig ist, den Privilegien als Europäer*innen bewusst zu sein. Deswegen waren wir dankbar mit Felix jemanden an der Seite zu haben, mit dem wir über vieles reden konnten und der uns half zu verstehen – mit dem wir sozusagen in einen transatlantischer Dialog treten konnten.

Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass der Bau des Schulgebäudes den Kindern in Souluguamana ein besseres Lernen ermöglicht hat und die Menschen vor Ort sehr dankbar darüber sind. Das konnten wir deutlich spüren. 

Als alle Schüler*innen ihr Geschenk erhalten haben, wurden wir noch zum Essen eingeladen. Es gab Ziegenfleisch und Arepas (runde Maisfladen). Dabei haben wir uns noch mit Carmen und Edson unterhalten. Die Kinder hatten nun frei. Angeregt durch den Pick-Up eines lokalen Politikers, der auf der Rancheria Geschenke verteilte, unterhielten wir uns über Politik und die anstehenden Wahlen. Es war noch nicht klar, wer gewinnen würde. Am Ende wurde es das Bündnis von Petro, dass auch von der Wayuu-Politikerin Arelis Uriana unterstützt wurde. 

Nach dem Essen, verabschiedeten wir uns mit einem Gruppenfoto. Dabei positionierten wir uns vor ein liebevoll und sehr schön bemaltes Banner, auf dem Kakteen, die Kasha-Trommel, ein traditionelles Keramikgefäß, ein Flamingo und der rote Guajiro Kardinalvogel (Cardenal Guajiro) abgebildet waren sowie die Aufschrift „Instituto San Rafael Del Pájaro Yosulu“. 

Gruppenfoto, Fotograf Flix Montiel

Mit vielen positiven Eindrücken verließen wir Souluguamana und waren dankbar über die warme Gastfreundschaft, die uns von allen Beteiligten vor Ort entgegengebracht wurde.

 

 

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